Bataillonsgeschichte
© Kameradschaft der ehemaligen k k freiwilligen Schützen Salzburgs (ZVR-Zl. 560621039)
Der Hilferuf der Südgrenze stieß im Lande Salzburg nicht auf taube Ohren. Blutjunge Burschen, Knaben zumeist noch und alte Männer
eilten zu den Waffen, um der bedrohten Grenze im Süden Hilfe zu leisten.
Das Schützenwesen blickt im Lande Salzburg auf eine jahrhundertelange Entwicklung zurück und wurde von den Fürsterzbischöfen
wohlwollend gefördert. Eine große Bewährungsprobe bestand das Salzburger Schützenwesen zu Beginn des vorigen Jahrhunderts, als
Salzburger Schützen an der Seite der Tiroler ihre Bergheimat heldenmütig verteidigten.
Am 5. Januar 1915 trafen sich Landesoberschützenmeister Oberst Eduard Tratz und Landesschützenmeister kais. Rat Hans Pirchl in
Innsbruck zu einer vertraulichen Besprechung mit dem Innsbrucker Militärkommandanten Feldmarschall-Leutnant von Können-Horak.
Der hohe Offizier eröffnete den beiden Herren, dass die oberste Herrenleitung einen Treuebruch Italiens befürchte und daher das Land
Salzburg, so wie auch die anderen Alpenländer, aufgefordert sei, Freiwillige aufzubieten, um die wenigen zur Verfügung stehenden aktiven
Truppen und den ebenfalls bereits aufgebotenen Landsturm an der Front gegen Italien zu unterstützen.
Die beiden Schützenmeister nahmen die Organisation umgehend in die Hand. Der Salzburger Landeshauptmann Prälat Winkler erließ
einen Aufruf und es meldeten sich auf Anhieb 5163 Mann in dem kleinen Land Salzburg. Dies, obwohl die gediente Mannschaft schon
vollständig zum Heere einberufen war.
Schwierigkeiten bei Werbung und Ausbildung
Die Werbung musste ohne Aufhebens in der Presse durchgeführt werden, um Italien „nicht zu reizen". Dies war eine ausdrückliche
Anordnung der obersten Befehlsstellen gewesen. So wurden also die Aufrufe des Landeshauptmanns vor allem an die Schützenvereine, an
Gemeindevorstehungen und einzelne Persönlichkeiten verschickt.
Durch das Geheimnisvolle dieser Werbung entstand in Teilen der Bevölkerung der Eindruck, dass die Lage noch gar nicht so dramatisch sei.
Zu den Schwierigkeiten bei der Werbung kamen jene der Ausbildung: für insgesamt 91 Ortsformationen standen 80 Gewehre (!) zum
Zimmergewehrschießen zur Verfügung und diese waren nicht alle funktionsfähig. Zum Scharfschießen aber standen überhaupt keine
Armeegewehre zur Verfügung. Ohne Schießausbildung aber wollten sich die Freiwilligen nicht beeiden lassen, die anfängliche Begeisterung
drohte zu erlöschen. Von den vorgesetzten Dienststellen kamen verwirrende Weisungen. Kaum war der Umfang der Meldungen bekannt
geworden, mussten alle Eisenbahner, alle Forstbeamten und die Industriearbeiter wieder austreten, weil sie bis zu einer allfälligen
Schließung ihrer Betriebe aus kriegswirtschaftlichen Gründen weiter dort tätig bleiben sollten. Hätte nicht der Landesschulrat wenigstens
den Lehrern gestattet, sich zu beteiligen, wären nur die Bauernsöhne, die Söhne von Gewerbetreibenden und die Mittelschüler übrig
geblieben.
Mit der Kriegserklärung Italiens wurden die Schützen in ihre Standorte einberufen.
Die Schützen müssen außer Landes - Pflichterfüllung ohne Hurra-Begeisterung
Die Salzburger Schützen waren mit der Zusage des Armeekommandos gemustert worden, dass sie nur zum Schutze der eigenen Heimat
bestimmt seien. Ihre Aufgabe sollte der Schutz der Tauernübergänge von Krimml bis hin zur steirischen Grenze sein.
Nun verfügte das Armee-Oberkommando Erzherzog Eugen, dass die Salzburger Schützen nach Kärnten abzugehen hätten. Dies war ein
glatter Bruch der gegebenen Zusagen.
Für viele Bauern und Bauernsöhne stellte dies eine ernste Situation dar. Sie hatten sich unter der Voraussetzung gemeldet, dass sie neben
der Erfüllung ihrer Schützenaufgaben im engsten Heimatbereich weiterhin in der Lage sein würden, die Felder und Höfe zu bestellen und
ihren Familien so die Lebensgrundlage zu erhalten. Dies war von Bedeutung in einer Situation, da die Väter und Brüder zumeist schon im
Felde standen oder bereits gefallen waren.
Josef Strohmayr, der Kommandant der Halleiner Schützenkompanie, ließ seine Buben und Männer antreten, erklärte ihnen die neue
Situation und verwies darauf, dass die Linie der Verteidiger an Kärntens Südgrenze nur dünn sei. Man müsse die Heimat aber bereits dort
verteidigen und nicht erst dann, wenn der Feind schon im Lande stehe. Strohmayr überließ es der Mannschaft, zu entscheiden, ob sie sich
freiwillig dem neuen Befehle unterwerfen wolle oder nicht. Die Kompanie erklärte sich einhellig bereit, dem Ruf zu folgen.
So wie in Hallein war es im ganzen Land.
Die Schützen folgten dem Ruf der freiwillig übernommenen Pflicht — insbesonders die Bauern unter ihnen ohne leichtfertige Hurra-
Begeisterung, sondern in dem Bewusstsein des Opfers, das sie und ihre Familien brachten. In 6 Gauformationen trafen die Salzburger Ende
Juli 1915 im Ausbildungslager Wolfsberg in Kärnten ein, wo aus 2 Halbbannen das „Bann der k. k. Freiwilligen Schützen Salzburgs" unter
dem Kommando des Majors a. D. Robert Wittek von Saltsberg gebildet wurde. Das Kommando über das 1. Halbbann erhielt der
Landsturmoberleutnant Ferdinand Krakowizer, das über das 2. Bann der Landsturmoberleutnant Ernst von Breisky.
Die Jüngsten der Salzburger, die Mannschaft der Formation Flachgau-Salzburg Stadt, lauter Jugendliche, wurden mit steirischen
Jugendlichen zusammen zu dem „Jungschützenbataillon Rittmeister von Lichem" vereinigt und getrennt von den übrigen Landsleuten
eingesetzt.
Am 4. August wurden die Salzburger vereidigt. Erst am 4. September konnten moderne Mannlicher-Gewehre ausgegeben werden. Als sie
ins Feld rückten, war ihr Train erst zum Teil beschafft. Die Lage an der Front duldete aber keine Verzögerung mehr.
Während von der Front her der Kanonendonner über Hermagor rollte, rückte das Baon in die Quartiere nach St. Lorenzen und Jadersdorf
ab. Am 27. September 1915 rückten die Salzburger auf das Nassfeld ab, um dort die Stellungen zu übernehmen.
Mit klingendem Spiel unter Kanonendonner
Die Pinzgauer hatten eine komplette Ortsmusik mitgebracht, die nun am 20. September 1915 dem Baon mit klingendem Spiel voran in
Hermagor einzog. Der Truppe voran flatterte die Schützenfahne aus Saalfelden, die schon bei den Kämpfen von 1809 dabei gewesen war.
In Hermagor erwartete der Abschnittskommandant, General von Henneberg, schon sehnsüchtig die Salzburger, die in einer Stärke von 1200
Mann in den Ort einzogen. Der General dankte den Salzburgern, dass sie freiwillig zur Verteidigung der Heimat schritten und betonte, dass
die Verteidigung der engeren Heimat aber nicht erst vor den Toren Salzburgs beginnen könne. Man müsse dem Feind schon an den
Grenzen des Reiches den Eintritt verwehren.
Man brauchte die Salzburger wahrlich notwendig an der Front. Aus den
Worten des Generals sprach aber auch das schlechte Gewissen der
Kommandostellen, die wussten, dass man das den Salzburger
Schützen gegebene Wort hatte brechen müssen, um Kärntens Grenze
in der Zeit höchster Not zu retten.
Vierzehn Stunden Marsch, Schnee und Regen
Die Verteidigungslinie auf dem Nassfeld hinderten die Italiener daran,
von Pontebba aus über Hermagor und Villach nach Norden zu stoßen.
Hinter dieser Stellung gab es keine Auffanglinie mehr. Stieß der Gegner
hier durch, war der Weg bis Wien frei. Zwar bestanden Pläne, sogar
noch den Semmering zu verteidigen, die Erfolgschancen mussten aber
als eher gering angesehen werden.
Um 4 Uhr früh brach das Salzburger Schützenbann am 27. September
bei schlechtem Wetter auf und marschierte 14 Stunden lang bei strömendem Regen und in größerer Höhe dann bei Schneetreiben bis auf
den Prihat-Sattel, wo vorgesehen war, zu nächtigen. Die Kälte war mittlerweile schneidend geworden, ein eisiger Wind pfiff über die Höhe.
Die Mannschaft hatte eben auf dem nassen Neuschnee Zelte aufgeschlagen, als nach nur zweistündiger Rast der Befehl eintraf, dass die
erschöpften, durchnässten und erkälteten Schützen noch in derselben Nacht die Stellungen Bombaschgraben, Malurch und Prihat zu
besetzen hatten, um dort ungarischen Landsturm abzulösen. So hieß es wieder: Zelte abbrechen und marschfertig machen.
Der Schützenleutnant Koch erzählt:
„Die Kompanien mussten vom Bombaschgraben heraus den so genannten Kamin, dessen hohe senkrechte Wände nur mit Leitern
bezwungen werden konnten, erklettern, um auf das Hochplateau des Malurch zu gelangen. Doch während des Aufstieges riss die
Verbindung und ein Teil der Mannschaft war nun abgeschnitten und ohne Bergführer in finsterer Nacht auch ohne Orientierung, wobei sie
jederzeit gewärtig sein musste, feindlichen Patrouillen in die Gewehre zu laufen oder bei Tagesanbruch von der feindlichen Artillerie
beschossen zu werden.
Vor dem Einstieg in den Kamin ließ ich meinen guten Kameraden und Berater, Oberleutnant Dachgruber, der hier vollständig erschöpft und
bewusstlos liegen geblieben war, in einen nahe gelegenen Artillerieunterstand bringen. Ich hatte hierbei die Befürchtung, meinen lieben
Kameraden bereits verloren zu haben. Ich konnte aber nicht verweilen, denn die Pflicht rief mich aufs Hochplateau, woselbst Mannschaften
meiner Truppe ebenfalls erschöpft und bewusstlos auf dem Schnee lagen. Ich hatte dabei das Empfinden, dass auch diese Tapferen ihre
Heimat nicht mehr sehen würden.
Wir glücklich Hochgekommenen konnten ihnen aber nicht beistehen, wir mussten vorwärts, um unsere Stellungen noch vor Tagesanbruch
ausfindig zu machen und besetzen zu können."
Um 6 Uhr früh des 28. September kamen nur Teile der Kompanien in minderwertig ausgebauten Stellungen an, die kaum Schutz vor der
Witterung boten. 22 Stunden lang war die Truppe mit schwerem Gepäck und schlechtestem Wetter auf dem Marsch gewesen. Sie waren zu
Tode erschöpft und durchnässt. Sie hatten nicht einmal Zeit zu kurzer Rast, sondern mussten umgehend die vorgeschobenen Feldwachen
von den Ungarn übernehmen und besetzen.
Ein Großteil der unterwegs liegen gebliebenen Kameraden traf einen Tag später in schlechtem Zustand in den Stellungen ein.
Um 1 Uhr früh des 29. September aber griff der Italiener die Malurch-Stellung an, wobei die Salzburger in wütendem Nahkampf die Stellung
behaupten konnten, dabei aber ihren Kameraden Patrullführer Andreas Sampl, der am 3. Oktober seinen erlittenen Verwundungen erlag
und am Malurch auf der umkämpften Höhe von den Kameraden begraben wurde, verloren.
Den Weg ins Villacher Becken versperrt
Bis zum 3. Oktober 1915 fanden erbitterte Kämpfe um die Stellungen am Prihat, Malurch und Bombaschgraben statt, die in Bataillonstärke
gegen einzelne Kompanien vorgetragen wurden. Der Feind hatte Verluste, nahm aber seine Toten und Verwundeten ausnahmslos mit.
Jedoch konnten die Salzburger nach nächtlichen Gefechten große Blutlachen bei den Drahtverhauen erblicken, die der Italiener zum Teil bis
zu einer Breite von 60 Metern hatte durchdringen können.
Als die Schützen am 3. Oktober vom Jungschützenbaon v. Lichem abgelöst wurden, langte ein ehrendes Telegramm des Erzherzogs Eugen
ein:
"Hermagor, 1. Oktober RR. 35254 des Kom. der S.W.Front.
Freiw. Schützen-Baon Wittek.
Ich spreche den braven Salzburger Schützen für die glänzend bestandene Feuertaufe bei Abweisung des feindlichen Angriffes am 30. Sept.
1915 meine besondere Befriedigung und vollste Anerkennung aus.
Generaloberst Erzh. Eugen"
In Salzburg aber berichtete das „Salzburger Volksblatt" voll Stolz:
„So stoßen sich also auch hier die Wälschen an unseren Grenzstellungen die Zähne ein; und sie treffen hier besonders harten Widerstand,
denn es sind Salzburger Schützen, die ihnen den Weg versperren.
Das Verdienst, das sich die braven Salzburger Schützen hier erwerben, kann gar nicht hoch genug veranschlagt werden. Hier hindern sie die
Italiener daran, durchs Canaltal ins Villacher Becken einzubrechen; sie schützen damit auch den nächsten Weg, der die Feinde dem
Salzburger Lande näher bringen könnte. Die Wälschen werden diesen Weg nie gehen. Salzburger Kraft und Salzburger Treue bürgt uns
dafür. Aber wir müssen die Taten dieser Braven noch höher einschätzen, als die anderer Truppen, denn sie sind freiwillig an die Grenze
gezogen und haben nach kurzer Ausbi1dung — sie haben sich nicht so wie die Tiroler Standschützen in langer Friedensarbeit auf den
Ernstfall vorbereitet — doch so wacker gefochten. Heil unseren braven Salzburger Schützen!"
Im Juli 1916 gingen die Salzburger dann ihren Stellungen in die Hochgebirgsstellungen am Hochweißstein (Monte Peralba) im
Karnischen Kamm ab. Über den weiteren Schicksalsweg der Freiwilligen Salzburger Schützen berichtet das Generalstabswerk „Österreich-
Ungarns letzter Krieg" :" Vierzehn Monate waren die Schützen ununterbrochen in den Höhenstellungen gewesen, als ganz unvorbereitet bei
Nacht und Schneesturm der Vormarsch im Oktober 1917 angetreten wurde, an dem die Salzburger Freiwilligen Schützen keineswegs bloß
als Mitläufer teilnahmen. Ohne Erholung ging’s dann auf die Hochfläche der Sieben Gemeinden.
Das Infanterieregiment 27 lösten sie ab, die 17er kamen nach ihnen. Das war nun keine ruhige Front mehr, sondern der Drehungspunkt der
alten Linie (vor der Offensive 1917) zu den neuen Stellungen. Es gab unablässig Scharmützel und Vorstöße von huben und drüben,
schweres Artillerie- und Minenfeuer lag oft stundenlang über den Gräben, Angriffe, besonders bei Nacht folgten, in der Sartori- und
Ghelpachschlucht gings recht heiß zu. Im März 1918 gab’s nach zwanzigmonatlicher Frontdienstleistung endlich eine karge Ruhe- und
Rastpause, jedoch auch noch im Bereich des feindlichen Feuers.
Dann ging’s auf den jedem Salzburger heiligen Opferberg, den Monte Cimone. Die Schützen sollten mit Kaiserjägern und Landesschützen in
den ersten Wellen zum Sturm über den Caviojorücken gegen die Priafora vorgehen. Die ganze Aufklärungs- und Vorbereitungsarbeit wurde
in die Hände des Bataillons gelegt. Der Gegner wusste, was bevorstand und beantwortete auch unbedeutende Aktionen mit schwerstem
Feuer. Aufklärungs- und Sturmabteilungen des Bataillons waren in steter Aktion im Vorfeld, in der Nacht hieß es Munition stapeln.
Im September treffen wir das Bataillon auf den Hochgipfeln des Ortlermassivs. Umspannende Fronterfahrung, Mannschaftsauslese und die
unbedingte Verlässlichkeit der Gesinnung reihten das Bataillon unter die wertvollste Kampftruppe. Es blieb bis zum Schluss auf
verantwortungsvoller Stelle. Dem Bataillon blieb durch ein gütiges Schicksal die Gefangennahme durch den Gegner erspart. Salzburger
Schützen waren die letzten Truppen, die das Reschen-Scheideck passierten.
Ein sechzigjähriger Salzburger Turner im Felde
„Auch eines im ganzen Salzburger Lande als begeisterter Turner bekannten Kameraden sei gedacht : des Zöglingsvaters Hermann
Nägelsbach, Buchhändler aus Hofgastein, der trotz seiner 60 Jahre als Unterjäger beim Baone stand und seines Alters wegen in der
Wachkompanie eingeteilt werden sollte, doch über seine Bitte in eine Feldkompanie eingereiht wurde. Bereits vor nahezu 40 Jahren als
Unteroffizier im Deutschen Heere stehend, bereitete der Kriegsdienst dem durch Turnen Gestählten auch jetzt keine Beschwerden, ja er
nahm sich auch im Felde der jungen Mannschaft beispielgebend an, er war ihr väterlicher Freund und Berater in vielen Belangen.
Selbst nach seiner erfolgten Beurlaubung in die Heimat sandte er des öfteren Bücher an die Kameraden im Feld und bereitete ihnen damit
große Freude."
Der weiße Tod
Am 9. November 1916 traf die Freiwilligen Salzburger Schützen, die zu diesem Zeitpunkt auf dem Torkarl (Abschnitt Monte Peralba) die
Stellungen hielten, ein schweres Lawinenunglück.
Eine Lawine hatte die Seilbahnstütze der Versorgungsbahn zu den Unterkünften der Salzburger zerstört. Trotz andauernder Lawinengefahr
musste die Seilbahn wieder in Gang gesetzt werden, sollten die Männer nicht verhungern. Oberjäger Nußbaumer übernahm zusammen mit
Freiwilligen die gefährliche Arbeit.
Der Baonskommandant Major Ernst von Breisky erzählt:
„Rasch hat der Oberjäger unterdessen seinen Leuten die Lage klar gemacht und sofort haben sich die meisten derselben, knorrige,
wetterharte Gesellen, freiwillig gemeldet, die schwere, gefahrvolle Arbeit zu wagen. Rasch und gewissenhaft werden alle Vorbereitungen
getroffen und die Werkzeuge verpackt; noch einmal überprüft der Oberjäger mit raschem Blick die Ausrüstung seiner Braven, noch einige
ermahnende Worte, und dann bahnt er sich als Erster den mühevollen Weg. Langsam und mit größter Vorsicht geht es vorwärts, jeder
Schritt wird überlegt, jeder Tritt geprüft. — Jetzt haben sie den Fuß der Felswand erreicht, ein besorgter Blick des Führers streift die
mächtige, den Gipfel der Felswand überragende Schneewechte und mit verdoppelter Vorsicht geht es weiter. Keuchend arbeiten sich die
zwölf Männer, immer wieder bis an die Hüften versinkend, durch den Schnee, die linke Hand umklammert den Eispickel, mit der Rechten
suchen sie das den Steig sichernde Drahtseil. — In Abständen von je zwanzig Schritten folgt einer dem andern, je vier durch ein
Gletscherseil miteinander verbunden, — wie lebende Schlangen ringeln sich die langen, roten Lawinenschnüre über den Schnee.
Eine gute Stunde braucht's, bis die zweihundert Schritt lange Strecke bewältigt ist. Endlich ist das Ziel erreicht, und nun beginnt die
mühevolle, gefährliche Arbeit. — Ein leiser Schneefall setzt ein, und wieder ballt sich der dichte, weiße Nebel zusammen, alles verhüllend im
Schatten des bereits verdämmernden Tages. Keuchend und schweißtriefend arbeiten die Männer, denn Eile tut Not, und endlich ist's
gelungen; — das Drahtseil läuft in den Rollen und die losgerissenen Stützen sind fest verankert. Immer dichter wirbelt der Schnee, und mit
erneuter Kraft hat der Schneesturm eingesetzt.
Oberjäger Nußbaumer mahnt zur Eile, rasch hat sich die Schar geordnet und schon geht es zurück, dem schützenden Unterstande
entgegen. Ein Seufzer der Erleichterung ob des gelungenen Werkes entquillt der Brust des Führers, aber noch steht Schweres bevor, die
Rückkehr bei einbrechender Dunkelheit und im Wüten des neu entfesselten Sturmes. — Entschlossen setzt er sich wieder an die Spitze des
Zuges, ein Mann nach dem andern verschwindet im Grau des Nebels und Schneetreibens, — das Seil spannt sich.
Jetzt betritt der Letzte der Schar den Einstieg unter der Wand, — erst einige Schritte hat er zurückgelegt, da übertönt ein klingendes Brausen
den heulenden Sturm, wie Donner rollt es in den Lüften, — dann ein lautes Krachen und Tosen, — ein Ruck am Seil, das wie ein Bindfaden
zerreißt und mit Riesengewalt wird er gegen die Felswand geschleudert, Schneemassen stürzen auf ihn ein, rollen fließend und gleitend
über ihn weg; nur die Felsklippe, hinter welcher er eingezwängt liegt, rettet ihn vom Sturze. Nun ist's vorüber: entsetzt mit zitternden
Gliedern arbeitet er sich mühevoll aus dem Schnee, mit irren Blicken sucht er die Gefährten, mit versagender Stimme ruft er hinein in den
Nebel, aber kein Laut antwortet ihm, nur der Sturm heult um die Schroffen und aus der Tiefe der Schlucht verklingt dröhnend der Donner
der nieder laufenden Lawine.
Hundertmal stürzend, sich aufraffend, von Schreck und Entsetzen zerrüttet, mit blutenden Händen und zerrissenen Kleidern arbeitet er sich
vorwärts, — endlich ist das Ende der Felswand erreicht, — die rettende Hütte taucht aus dem Nebel. Angsterfüllt stürzen ihm die
Kameraden entgegen, die die Rückkehrenden erwarten, — aber einer nur von zwölfen ist gekommen. Doch jetzt ist keine Zeit zur dumpfen
Verzweiflung, — nur ein Gedanke erfüllt die Männer, den Kameraden zu Hilfe zu eilen, nichts unversucht zu lassen zu ihrer Rettung.
Der Kommandant des vorgeschobenen eigenen Stützpunktes wird telephonisch verständigt, mit Windeseile sind Seile, Tragbahren,
Pechfackeln und Laternen bereit, und schon geht's hinunter den lebensgefährlichen Abstieg in die mehr als fünfhundert Meter tiefe
Schlucht. Nach zweistündigem Klettern ist der Boden erreicht, aber ein trostloser Anblick ist es, der sich ihnen im Schein der rasch
entzündeten Fackeln und des matten Sternenlichtes bietet. — Ein unübersehbares, mehrere hundert Meter langes und breites Schneefeld
liegt die tote Lawine vor ihnen, kein Laut, kein so sehnlichst erhoffter Hilferuf schallt den atemlos Lauschenden entgegen. — Rasch werden
zur Sicherung gegen einen Überfall des nahen Feindes die nötigen Sicherungsposten aufgestellt, — die übrige Mannschaft wird eingeteilt
und beginnt in der Fallrichtung der Lawine Gräben auszuschaufeln. Doch schon ertönen Alarmpfiffe der aufgestellten Wachen, —wieder
saust's und donnert's in der Höhe, — eine neue gewaltige Lawine prasselt hernieder, die alte mit ihrer ungeheuren Schneelast
überschüttend. — Hilferufe ertönen, fünf Mann der Rettungsmannschaft sind verschüttet; fieberhaft arbeiten die Kameraden, — selbst in
größter Lebensgefahr, und es gelingt, den lockeren Schneemassen die neuerlichen Opfer zu entreißen. — Und wieder und wieder prasselt
es von den ringsum liegenden Höhen in den Kessel, — der besonnene Kommandant gibt schweren Herzens den Befehl, die Arbeit
einzustellen, — er darf keinen weiteren Mann opfern; — für die Kameraden, die da drunten liegen, gibt's keine Rettung mehr.
Ein stiller Trauerzug ist es, der sich langsam und mühevoll zurückbewegt, der Hütte zu droben am Felsgrat.
Tage vergehen, — Lawine auf Lawine ist niedergegangen, den Unglücksgraben mit turmhohen, zu Eis zusammengeballten Schneemassen
bedeckend, — ungeschwächt heult der Schneesturm und singt den Schläfern da drunten ein grausiges Schlummerlied.
Und heute strahlt wieder die leuchtende Sonne über alle die silberglitzernden und flimmernden Berge, — tiefblau lacht der Himmel und mit
erstem Schweigen grüßen uns die den Wolken entstiegenen fernen Spitzen der lieben Salzburger Berge."
Kameradschaft der ehemaligen k k freiwilligen Schützen Salzburgs